Psychische Gesundheit in der queeren Community: Warum Hilfe holen besonders wichtig ist
Queer zu sein bedeutet Vielfalt, Mut und Selbstbestimmung. Für viele LGBTQIA+ Menschen (lesbisch, schwul, bi, trans, inter, queer, asexuell und weitere) ist das Leben in der Schweiz heute bunter und offener als noch vor wenigen Jahrzehnten. Gleichzeitig ist der Alltag für viele queere Menschen weiterhin von Herausforderungen geprägt, die sich auf ihr psychisches Wohlbefinden auswirken können.
Obwohl die gesellschaftliche Akzeptanz wächst, erleben viele queere Menschen noch immer Diskriminierung, Ausgrenzung und inneren Stress. Diese Erfahrungen hinterlassen Spuren und führen dazu, dass psychische Belastungen in der queeren Community überdurchschnittlich häufig vorkommen. Umso wichtiger ist es, dass betroffene Menschen wissen: Es ist in Ordnung, sich Hilfe zu holen. Und es gibt in der Schweiz Unterstützung, die respektvoll und queerfreundlich ist.
Belastungen, die Spuren hinterlassen
Dass queere Menschen psychisch oft stärker belastet sind als der Durchschnitt der Bevölkerung, ist wissenschaftlich gut belegt. Studien zeigen immer wieder, dass LGBTQIA+ Personen ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Angststörungen, Suchtprobleme und Suizidgedanken haben.
Das liegt nicht an ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität an sich, sondern an den Erfahrungen, die sie in ihrem Leben machen. Viele queere Menschen erleben bereits in jungen Jahren Ablehnung im eigenen Umfeld. In der Schule, im Freundeskreis oder in der Familie hören sie Sätze, die tief verletzen und das Selbstwertgefühl negativ beeinflussen. Für manche beginnt dadurch schon früh ein ständiges inneres Anpassen, Verstecken oder Verleugnen der eigenen Identität.
Auch im späteren Leben kann dieser Stress bestehen bleiben. Diskriminierung am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit oder im Gesundheitswesen ist keine Seltenheit. Wer in einer Welt lebt, die ständig vermittelt, «Du bist anders» oder «Du gehörst nicht dazu», trägt unweigerlich eine zusätzliche seelische Last. Dieses Phänomen ist in der Forschung als «Minority Stress» bekannt: die dauerhafte Belastung, die daraus entsteht, einer stigmatisierten Minderheit anzugehören. Wenn dieser Stress über Jahre anhält, ohne dass es Möglichkeiten zum Ausgleich, zur Unterstützung oder zur Verarbeitung gibt, können daraus ernsthafte psychische Probleme entstehen. Viele LGBTQIA+ Personen kämpfen deshalb mit Erschöpfung, Ängsten, Depressionen oder dem Gefühl chronischer Einsamkeit.
Warum es oft schwer fällt, Hilfe zu suchen
Gerade queere Menschen haben häufig gelernt, stark sein zu müssen. Für sich selbst, für andere, für die Community. Diese Stärke ist bewundernswert, kann aber auch dazu führen, dass eigene Bedürfnisse lange verdrängt werden. Dazu kommt, dass manche queere Menschen in der Vergangenheit negative Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem gemacht haben. Nicht alle Psychotherapeutinnen oder Ärzte arbeiten queersensibel oder kennen die spezifischen Belastungen, mit denen queere Menschen konfrontiert sind. Wer erlebt hat, nicht verstanden oder nicht ernst genommen zu werden, überlegt sich beim nächsten Mal gut, ob er oder sie nochmals Hilfe sucht. In manchen Familien, Kulturkreisen oder Gemeinschaften ist es zudem doppelt schwierig, offen über psychische Belastungen zu sprechen. Dort gilt queere Identität oft schon als Tabu, und psychische Belastungen erst recht. Wer in einem solchem Umfeld lebt, trägt meist doppelte Scham mit sich und sucht noch seltener Hilfe.

Hilfe holen ist Selbstfürsorge, kein Versagen
Doch gerade weil der Alltag für viele queere Menschen psychisch belastender ist, ist es umso wichtiger, frühzeitig Hilfe zu suchen. Psychische Gesundheit ist ein Menschenrecht. Und es ist kein Widerspruch zu Stärke oder Selbstbestimmung, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Im Gegenteil: Es ist ein Akt der Selbstachtung und Selbstfürsorge. Viele Probleme lassen sich besser bewältigen, wenn man sie nicht zu lange mit sich allein herumträgt. Je früher sich queere Menschen vertrauensvolle Hilfe holen, desto besser kann verhindert werden, dass Belastungen chronisch werden oder schwere psychische Erkrankungen entstehen.
Queerfreundliche Unterstützung in der Schweiz
Inzwischen gibt es in der Schweiz zahlreiche Angebote, die queersensibel arbeiten. Neben spezialisierten LGBTQIA+ Beratungsstellen bieten auch viele Therapeutinnen und Therapeuten und psychosoziale Dienste queeren Menschen einen geschützten und respektvollen Raum.
Auch anonyme Anlaufstellen wie die Dargebotene Hand (Tel. 143) oder die LGBT+ Helpline Schweiz (0800 133 133) sind rund um die Uhr erreichbar und bieten erste Entlastung.
Auf Plattformen wie findhelp.ch können queere Menschen in der Schweiz gezielt nach passenden Unterstützungsangeboten suchen – und dabei selbst entscheiden, ob sie lieber eine anonyme Beratung, eine Therapie oder Unterstützung aus der Community in Anspruch nehmen möchten.